Rückblick auf den Kurs mit Pedro Torres

Ich hatte mich und meine Freibergerstute angemeldet für einen Kurs in Working-Equitation mit Pedro Torres, dem Europameister in Working-Equitation. In der Ausschreibung für den Kurs wurde Pedro Torres‘ grosse Erfahrung auch mit jungen Pferden betont, was für mich schlussendlich den Ausschlag zur Anmeldung gab. Nicht dass Luna ein Jungpferd wäre, aber ich nahm das als Indiz, dass er die mir so wichtige Geduld und einen gewissen Einfallsreichtum mitbringt. Der Kurs dauerte von Freitag bis Sonntag, mit je einer Reiteinheit à 50 Minuten.

Am Freitag war ich ziemlich geschockt – zum einen weil Pedro erst Mal alle Pferde geritten hat, was so nicht angekündigt war. Ich bin da ein wenig eigen und hätte das gerne vor der Anmeldung gewusst und mich bewusst dafür oder dagegen entschieden.

Mir war nicht klar, das Pedro Torres doch auch sehr von der Sportreiterei her kommt. Das wurde dann aber schnell offensichtlich, als er alle Pferde sehr tief und rund (low deep and round… ca. eine Handbreit hinter der Senkrechte) eingestellt hat und von dieser Basis aus die Pferde sehr stark vorwärts geschickt hat. Primär im Trab und Gallopp, Luna hat glaub ich geglaubt, sie sei im falschen Film… Dieser erste Tag war schon ein ziemlicher Kulturschock für mich.

Die Tatsache, dass ich mich aus gegebenen anatomischen sowie philosophischen Gründen mit dieser Arbeit nicht anfreunden kann sowie auch Lunas definitiv mangelnde Kondition haben mich zum Entschluss geführt, die folgenden zwei Tage nur als Zuschauer mitzumachen.

Die eigentliche Überraschung war, dass trotz meiner sehr negativen Erwartungen die folgenden zwei Tage sehr viele positive Erkenntnisse mit sich brachten.

  1. Die Pferde liefen am Ende des Kurses alle deutlich besser als am Anfang, trotz der hohen konditionellen Belastung
  2. Die Low-Deep-Round Haltung nimmt Pedro Torres zwar als Basis und kehrt auch immer wieder dahin zurück, wenn sich die Pferde den Hilfen entziehen, arbeitet die Pferde grundsätzlich aber über die laterale Biegung und Seitengänge sowie Tempiunterschiede kontinuierlich hoch und an die Senkrechte heran, holt sie sogar rauf, wenn sie sich verkriechen wollen
  3. Pedro Torres arbeitet ganz viel über die eigene Körperspannung und verändern der Energie, sehr schön zum zuschauen (resultiert in präzisen Tempiwechseln ohne sichtbare Hilfengebung)
  4. Er reitet insgesamt sehr schön, zwar konsequent aber auch sehr fair mit den Pferden
  5. Wenn die Pferde in der jeweiligen gewünschten Haltung sind, ist er sofort und unglaublich präzise leicht in der Hand
  6. In den Momenten, wo Pedro schlussendlich zufrieden war mit den Pferden, waren sie alle in einer Haltung angelangt (inkl. Durchlässigkeit des Rückens und Bewegung in der Lende, Hüfte), die ich auch anstrebe… die grosse Frage bleibt für mich, weshalb er nicht den Weg über die anatomisch korrekte Dehnungshaltung geht, statt die Pferde permanent hinter der Senkrechte zu arbeiten.
Für mich war es ganz gut, wieder einmal etwas komplett anderes zu sehen, als nur mein gewohntes Schema. Es zwingt mich dazu, mich erneut mit verschiedenen Themen auseinander zu setzen, von denen ich eigentlich dachte, dass sei alles ganz klar. Ich bin froh, ist bald mein Kurs mit Desmond O’Brien, meinem jahrelangen Trainer. Ich hoffe, einige offene Fragen mit ihm besprechen zu können.

Was ich vom Kurs mitnehmen konnte:
  • ab und zu auch etwas mehr vorwärts integrieren würde sicher auch meinen Pferden gut tun, nicht zuletzt wegen der Kondition
  • meine Konsequenz beim Reiten hat auch noch Potential nach oben
  • Prioritäten setzen (ich ertappe mich schon dabei, dass ich immer gleich von Anfang an alles perfekt haben will, Vorhand, Hinterhand, Biegung…)
Hinter die Low-Deep-Round-Arbeit mache ich natürlich immer noch ein grosses Fragezeichen und empfinde es nach wie vor als „falsch“. Nichts desto trotz möchte ich mich in der nächsten Zeit mit verschiedenen Ausbildern zu diesem Thema austauschen und versuchen, so neutral wie möglich mich tatsächlich damit auseinander zu setzen. Ich werde auch meine eigene Arbeit mit den Pferden kritisch betrachten und werde Euch auch das abschliessende Fazit nicht vorenthalten.

Immer wieder leicht werden an der Hand

von Virginia Mueller –

Letzten Monat war in einer renommierten Pferdezeitschrift wieder einmal ein Artikel über das vielbesprochene Thema „Anlehnung in der Pferdeausbildung“. Der Artikel war sachlich sehr gut und doch habe ich mich an vielen Stellen geärgert. Und zwar über die immer wieder kehrende Forderung nach konstanter Anlehnung im Gegensatz zu einem springenden Zügel.

Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass man sich im Laufe der Pferdeausbildung irgendwann einmal mit dem Thema Anlehnung beschäftigen muss, unabhängig von der Reitweise. (Wie schon J.-C. Dysli treffend bemerkte: Wir reiten Pferde und keine Reitweisen.)

Kleine Zusammenfassung zur Anlehnung: Stark vereinfacht ausgedrückt signalisiert die begrenzende Zügelhilfe der Vorhand „warte schnell und hör auf meine treibende Hilfe“, worauf das Pferd die Hinterhand vermehrt unter seinen Schwerpunkt bringt. In dem Moment erhöht sich einerseits die Tragkraft der Hinterhand, der Rücken wölbt sich hoch und das Pferd wird vorne leicht und locker im Genick. Ist der Reiter aufmerksam und hat einen zügelunabhängigen Sitz, wird er in dem Moment, wo er das spürt, seinerseits leicht in der Hand. Dies hat zur Folge, dass sich die Zügellänge um 0.5 – 2cm (mindestens) verlängert. Im Idealfall, wenn das ganze für das Pferd logisch aufgebaut wurde, es genug Vertrauen zum Reiter und der Reiterhand hat, wird sich das Pferd, gut unterstützt von der eigenen Hinterhand und locker im Rücken und Hals, an die Hand heran dehnen.

Habe ich nun einen beispielhaften Reiter, wie oben beschrieben, wird es immer Momente geben, wo der Zügel „springt“. Zwischen dem Moment wo das Mensch in der Hand leicht wird und dem Moment wo sich das Pferd an die erwartende (passiv) Hand heran dehnt, liegt zumindest am Anfang der Ausbildung ein zeitlicher Abstand. Das Endziel der Ausbildung von Pferd und Reiter in Bezug auf die Anlehnung liegt bei einem kleinstmöglichen, kaum wahrnehmbaren zeitlichen Abstand. (Aber da sein wird er auch dann.)

Das wird dem Reitschüler, bzw. dem dem Leser des oben genannten Artikels jedoch nicht aufgezeigt.

Verlangt wird eine konstante Verbindung zum Pferdemaul. Worauf dem guterzogenen Reitschüler nichts anderes übrig bleibt, als eine konstante Spannung im Arm und der Schulter aufzubauen, damit dieses weich werden lassen der Hand nach der halben Parade (die angesprochenen 0.5 – 2cm) aufgefangen werden kann. Klar, der Reitlehrer hat sicher auch mal erwähnt, dass die Hand nachgiebig und weich sein soll. Aber dann funktioniert das mit der Konstanz nicht.  Zusätzlich ist ein lockerer Zügel für den Reitlehrer einfacher zu erkennen, als verspannte Schultermuskulatur. Erschwerend kommt dazu, dass festmachen/festhalten von Muskulatur für uns Menschen viel einfacher ist als loslassen. Da der menschliche Körper ein zusammenhängender Organismus ist, zieht sich die Verspannung des Armmuskels weiter in den Schultergürtel, die Brustmuskulatur und endet beim Hüftbeuger. Ein losgelassener Sitz ist nicht mehr möglich.

Wenn das erst einmal so eingeübt ist beim Reiter, dann wird er dieses Muster auch so schnell nicht wieder los. Was sehr schade ist. Denn mit einem verspannten Reiter fällt es den Pferden schwer, locker und durchlässig zu gehen. Worauf der Reiter entweder treiben muss ohne Ende, damit das mit dem runden Hals wenigstens optisch doch noch klappt oder bremsen, wenn das Pferd vor lauter widersprüchlichen Hilfen Stress bekommt.

Abgesehen davon ist es mir ein Anliegen, dass ich dem Pferd als Folge meiner Hilfen immer wieder sagen kann: „So ist es gut – und jetzt probiers alleine“ – bis zu dem Moment, wo das Pferd die ideale Haltung/Bewegung verliert und ich als Reiter mit meinen Hilfen unterstützend eingreife. Auch das ist nicht möglich mit der konstanten, rückwärts einwirkenden Muskelspannung.

In vielen Reitweisen ist ein versammeltes Reiten am langen Zügel das Ziel, die Anlehung nur durch das Eigengewicht des Zügels vorhanden und ein aufmerksames Pferd, das auf feinste Sitz- und Schenkelhilfen reagiert.

Das ist keine Aufforderung, die Zügel hin zu schmeissen. Aber ein Plädoyer dafür, lieber einmal mehr die Hand leicht werden zu lassen, als unter allen Umständen die konstante Anlehnung zu erhalten.

Das Trauerspiel um Totilas oder das völlige Abhandenkommen des gesunden Menschenverstands

von Virginia Mueller –

Als im Herbst 2010 bekannt wurde, dass der dreifache Olympiasieger Moorlands Totilas verkauft werden soll, gingen die Spekulationen los, was sein neuer Besitzer wohl mit ihm vorhabe.

Für mich persönlich stand ausser Frage, dass der Hengst nach all seinen Erfolgen aus dem Sport genommen wird und ausschliesslich zur Zucht eingesetzt wird. Das war für mich die einzige logische Schlussfolgerung. Besser als drei Goldmedaillen wirds ja schliesslich nicht mehr. (Ob diese drei Goldmedaillen gerechtfertigt waren oder nicht steht hier nicht zur Debatte. Das ist Stoff für einen weiteren Blog.) Jeder weitere Ausflug in die Sportwelt schien mir zum Scheitern verurteilt.

Aber es sollte nicht so sein. Totilas muss für seinen Besitzer nochmals ran, nachdem dieser in der Person von Matthias Alexander Rath tatsächlich einen Reiter gefunden hatte, der Grössenwahnsinnig genug war um Edward Gals Platz einzunehmen. Ich bin mit Edward Gals Reitmethoden nicht einverstanden aber es lässt sich nicht leugnen, dass die beiden zusammen geglänzt haben, zumindest für die Laien (und leider offensichtlich für die Richter… aber auch das gehört in einen eigenen Blog). Grössenwahnsinnig deshalb, weil ich es absolut vermessen finde zu denken, man könne direkt an den Erfolg des vorigen Reiters anknüpfen, wie wenn man ein Fahrrad tauscht.

Leider hat sich meine anfängliche Einschätzung bewahrheitet, Erfolge blieben unter dem neuen Reiter bislang aus, nur die Meldungen über verletzungsbedingte Pausen häufen sich.

Um dem ganzen Trauerspiel um Totilas noch die Krone aufzusetzen, holt sich die Familie Rath jetzt Hilfe aus dem Niederländischen Lager bei Sjef Janssen.

http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,814628,00.html

Ich will mir gar nicht vorstellen, wie Totilas Training momentan aussieht. Ehrgeiz und Stress, weil die Erfolge ausbleiben waren noch nie gute Ratgeber fürs Pferdetrainig. Ich für meinen Teil bin kurz davor, dem armen Hengst eine unheilbare Sehenverletzung zu wünschen (gerade so, dass er noch auf die Weide kann)…